Wir vom SV Empor Berlin sind sehr traurig, dass unsere fröhliche und beliebte Schachspielerin Johanna Feierabend nicht mehr unter uns ist.
Aufgrund ihres Gesundheitszustandes (akute Diabetes sowie weiterer Probleme) lebte sie über 30 Jahre in Heimen, zuletzt 12 Jahre im Stephanus-Heim am Frankfurter Tor. Hier verstarb sie an einem Krebsleiden am 22. Juli 2023. Johanna wurde 86 Jahre. Wir kennen sie als immer gut aufgelegt, fröhlich, kontaktfreudig – lustige Sprüche hatte sie immer parat. Ja, Schach spielen konnte sie auch und das richtig gut!
Zum Nachruf von Bernd Jankowiak:
Durch meine lange Bekanntschaft mit ihr habe ich einiges über ihren Lebensweg erfahren und notiert:
Johanna wurde 1937 geboren und hat Schach mit ca. 14 Jahren vom Zwillingsbruder Hans gelernt. Nach dem sie immer besser wurde, hat er nicht mehr mit ihr gespielt. Sie war gelernte Köchin, hat aber nur kurzzeitig diesen Beruf ausgeübt. Kochen war nicht ihr Ding. Später war Johanna in der Reinigung tätig.
Bei einem Schachturnier in Buch ist sie auf das Spiel aufmerksam geworden. Hat beim Vater gebettelt, um in einen Schachverein einzutreten. Hartnäckig und ehrgeizig wie sie so mal war, hat es geklappt. Anfangen hatte sie wohl Medizin Buch oder einem Vorgängerverein.
Später wurde sie von Rotation Berlin abgeworben. Rotation war im Osten ein starker Verein im Frauenschach. Hier hatte sie ihre größten Erfolge. Mit jungen Jahren wurde sie » Berliner Meisterin 1960 und 1961. » Edith Keller – Herrmann (1921 – 2010), eine bekannte deutsche Schachmeisterin, war ihr Vorbild.
Danach stellte sich eine lange Pause ein – sie pflegte über Jahre ihre kranke Mutter. Selbst hat sie nie geheiratet. Im Seniorenclub in der Almstadtstr. trug die SG Blau-Weiß-Team Berlin e.V. (ehemals BTB Zentrum) ihre Schachwettkämpfe aus. Hier in diesem Club traf ich (Bernd Jankowiak) als Sektionsleiter Schach von BTB zufällig Frau Feierabend. Irgendwie war mir der Name Feierabend vom Schach noch bekannt und wir kamen ins Gespräch. Ich habe sie dann wieder zum regelmäßigen Schach spielen ermuntert. Große Überzeugungsarbeit war nicht von Nöten. Sie trat im Verein ein, fühlte sich hier wohl.
Zur Aufbesserung ihrer Rente reinigte sie noch Treppen in 4-stöckigen Wohnhäusern. Ständig war sie ehrenamtlich tätig: besonders Kinderspielplätze hielt sie sauber, Drogenspritzen und Glas wurden aufgesammelt – jeden Tag neben dem Seniorenheim. 2007 zierte ein zweiseitiger Beitrag darüber inclusive Großfoto von Johanna die „Berliner Illustrirte Zeitung“ (Wochenendbeilage der Berliner Morgenpost vom 10.6.2007, » hier ein von der MoPo dankenswerterweise übermittelter Link zum Archivartikel).
Für ihre Tätigkeiten hat sie verdientermaßen Anerkennungen erhalten. 2010 wurde sie mit dem Umweltpreis des Stadtbezirks Berlin-Mitte ausgezeichnet, übergeben durch den Bezirksbürgermeister.
Im Jahr 2000 hatte die SG Blau-Weiß-Team Berlin e.V. ihre Trainingsstätte in der Stargarder Str. 10 verloren. Die Schachabteilung schloss sich dem SV Empor Berlin e.V. an. Seitdem ist Johanna auch bei Empor dabei. Johanna kennen wir als eine zuverlässige, humorvolle und fröhliche Person. Sie war eine Kämpferin am Brett und immer voll dabei. Nicht alle aber viele schöne Partien führte sie zum Sieg. Gesundheitlich war sie nicht mehr ganz auf der Höhe, die Füße spielten nicht mehr mit. Deshalb hat sie sich immer gefreut, wenn sie zum Spiel per Auto abgeholt wurde. Diabetikerin, 2010 Schock Unterzuckerung, Hedwig Krankenhaus, Herzschrittmacher… Dennoch spielte regelmäßig bei der BMM mit und nahm auch an Einzelturnieren teil, bis es in den letzten Jahren gesundheitlich nicht mehr ging.
Johanna – eine Vogelliebhaberin – hatte in ihrem Zimmer bis vor einigen Jahren immer ein Schar Vögel im Käfig. Im Heim selbst war sie geschätzt als Stimmungsmacherin – immer lustig und mit einem Sack voller Ideen. Von Heimbewohnern wurde sie als gute Sängerin überzeugt, sich bei „Deutschland sucht den Superstar“ zu bewerben. Sie tat es und wurde angenommen!
Zum Auftritt hatte sie sich mit einem Potpourri von Küchenliedern vorbereitet. Sie sagte mir: „Gerade als sie so richtig loslegen wollte, winkte Bohlen mit seinem Jurorenteam bereits ab“. Schade meinte sie, die haben ja keine Ahnung. Johannas Auftritt kann man heute noch bewundern bei den » Supertalent Classics !
Im Heim suchte sie immer nach Schachpartnern. Kaum jemand gefunden und wenn, dann kratzten sie schnell wieder die Kurve, weil sie immer verloren. An ihrem 75. Geburtstag schenkten wir ihr einen sprechenden Schachcomputer. Aber hier kam sie mit der Technik und Bedienung nicht so recht klar. Bis zu ihrem Ende war sie geistig immer fit. Sudokus waren bei ihr beliebt. Auch gedichtet hatte sie.
Für Ihr Vorbild Edith Keller – Herrmann hatte sie einen Text nach der Melodie „Kleiner Bär von Berlin“ umgeschrieben:
„Schachmeisterin Edith immer da,
bist mein großes Vorbild Jahr für Jahr,
wo auch immer ich bin, für mein Spiel, das ich nie mehr lassen kann.
Schachmeisterin Edith du, du wirst sehen,
meine Stärke wird auch mal groß und schön.
Wenn auch Jahre vergehen,
doch mein Ziel bleibt bestehen,
einmal werde ich als Meisterin vor dir stehen.“
Aufgeschrieben habe ich das am 19. Dezember 2017 bei einem Besuch bei ihr im Heim. Das Lied hat sie auch Edith vorgesungen! Und Edith war baff über solch eine Verehrung. Bei einem Freundschaftsspiel erreichte sie ein Unentschieden gegen ihr großes Vorbild, das 2. Spiel ging dann aber verloren.
Das Leben ist vielschichtig. Im letzten Jahr war sie öfter in Krankenhäusern und hat trotzdem immer wieder neuen Mut gefasst. Rudi und ich hatten sie im Juni noch einmal besucht. Da war sie von ihrer Krankheit schon schwer gezeichnet.
Empor sagt danke Johanna und verneigt sich vor unserer Queen.
Die Beerdigung findet am 28. August um 14 Uhr auf dem St. Hedwig Friedhof, Smetanastr. 36-54
(Berlin Weißensee) statt.
In Erinnerung
Bernd Jankowiak
Johanna im Netz:
» Johanna und die Thüringen-Hymne (Youtube)
» Johanna beim Altpapiersammeln (Youtube)
» Supertalent Classics
» Johanna zum 75.Geburtstag
Nachtrag 30.08.23: » Berliner Schachgeschichte(n), Ausgabe 5 vom 25.07.2015 von Historiker (Andreas Lange), gefunden auf den Seiten des SC Kreuzberg – mit einem kleinen Bericht und einer schönen Gewinnpartie von Johanna aus dem Jahre 1965.