Wie stiftet man am besten Verwirrung? Mit Sondergenehmigungen und mit „grundsätzlich“…
Monatelang hat der Nationale Spielleiter der Deutschen Schachjugend (DSJ) Harald Koppen freigiebig Sondergenehmigungen für die Teilnahme an überregionalen Meisterschaften (NVM, DVM) verteilt … die dann auch von den beteiligten Vereinen gern in den Wirkungsbereich der Landesmeisterschaften (hier BJMM) übernommen werden sollten – obwohl da der Einfluss der DSJ nachweislich gar nicht gegeben ist. Spieler, die also mitten in der Saison den Verein gewechselt hatten, durften und dürfen auf Antrag bei Landesmannschaftsmeisterschaften, Norddeutschen Vereinsmeisterschaften und Deutschen Vereinsmeisterschaften im Jugendbereich für ihren neuen Verein starten. Verhindert wurde dies nur bei kurz vor der jeweiligen Meisterschaft erfolgten Wechseln oder wenn im aktuellen Zyklus schon für den alten Verein in einem Team gespielt wurde – auf jeden Fall subjektiv und meist ohne Kenntnis der kompletten Sachlage… erzählen kann man da viel.
Chaos – Proteste, Widersprüche – Entscheidungen am Grünen Tisch
Und Jetzt? Die Deutsche Schachjugend hat mit Datum vom 6.8.2023 in ihrer Spielordnung (seltsamerweise steht im Dokument Stand 05.03.2023) ziemlich still und leise die „Allgemeinen Bestimmungen zu den Deutschen Meisterschaften für Vereinsmannschaften“ geändert. Keinerlei weitere Erklärung dazu! Der Punkt 8.1. der Jugendspielordnung der DSJ selbst blieb dabei unverändert:
8.1 Bei den DVM sind je Mannschaft grundsätzlich die Spieler startberechtigt, die in der der DVM vorangegangenen Saison für diesen Verein spielberechtigt waren. Spieler, die inebendieser Saison für keinen Verein spielberechtigt waren, sind nur für den Verein startberechtigt, für den sie zum Zeitpunkt der DVM spielberechtigt sind.
Aber unter den Ausführungsbestimmungen rechts daneben steht nun:
Für die Spielberechtigung der der DVM vorangegangenen Saison ist die aktive Mitgliedschaft zum 15. Juli des Vorjahres der DVM maßgeblich. Auf begründeten Antrag kann der Spielausschuss Ausnahmen genehmigen. Die Genehmigung wird in jedem Falle erteilt, falls der wechselnde Spieler für seinen alten Verein in keiner Altersklasse im Qualifikationszyklus der laufenden Saison eingesetzt wurde und der Wechsel vor dem 15.Januar des Jahres der DVM stattgefunden hat.
Das ist schon ziemlich tricky, denn damit wird das Wörtchen „grundsätzlich“ in Punkt 8.1 ausgenutzt, um einen neuen Spielberechtigungstermin festzusetzen. Der alte war der 15.7. des Vorjahres und entsprach so in etwa dem Passschreibungstermin. Eine Änderung von Punkt 8.1. der Jugendspielordnung selbst hätte jedoch nur über die Jugendversammlung erfolgen dürfen.
Quelle: http://schachjugend.github.io/Spielordnung/Spielordnung.pdf
Man kann die neue Regelung für gut halten oder auch nicht – die Frage ist, ob dieser Trick überhaupt rechtlich zulässig ist… Die Vereine wurden dazu jedenfalls nicht befragt – es wurde einfach behauptet, dass hier unbedingt eine Neuregelung notwendig ist. Umfragen, irgendwelche belegbaren Notwendigkeiten? Fehlanzeige! Der Nationale Spielleiter Harald Koppen reagiert hier mit einer Änderung, die m.E. von den meisten Vereinen gar nicht gewollt ist. Natürlich kann er nur die Stimmen der Vereine hören, die bei ihm aktiv anfragen – das erweckt möglicherweise einen Handlungsbedarf, der gar nicht gegeben ist. Er hört nicht die Stimmen aller anderen Vereine – der Vereine, die in ihrer Saisonplanung benachteiligt wurden (da sie gegen stärkere Teams als erwartet antreten müssen), Vereine, die generell keine Änderungen innerhalb der Saison wünschen oder Vereine, die durch einen Wechsel besonders nachteilig betroffen sind, weil ihnen urplötzlich Spieler für ihre Teams abhanden kommen.
Die zuvor durch den Nationalen Spielleiter freigiebig erteilten Sondergenehmigungen führten neben Diskussionen zu einigen erfolgreichen Protesten auch in anderen Bundesländern und zumindest in einem Fall wohl auch ggü. der DSJ. Nichts davon findet man auf der Homepage der Deutschen Schachjugend, während es hinter den Kulissen brodelt.
Unter Umgehung der Jugendversammlung erfolgt hier ein Eingriff in den „Hoheitsbereich“ der Vereine. Ein Saisonplanung für Jugendmannschaften wie bisher ist damit nicht mehr möglich – Abwerbungen auch mitten in der Saison werden zunehmen. Das Argument „Gerade bei den Jüngsten sind das doch viel zu lange Zeiträume nach einem Vereinswechsel bis zur DVM“ zieht nicht, da die u10 von der Neuregelung nicht betroffen ist (Landesmeisterschaften im Herbst, DVM u10 im Dezember – also gleiche Saison, gleicher Stichtag). Das generelle Argument „Nach Vereinswechsel innerhalb der Saison“ keine Spielmöglichkeiten zieht erst recht nicht – In der Zeit „nach Corona“ gibt es so viele Turniere für Kinder und Jugendliche, dass diese 1-3 Turniere (je nach Qualifikation) keine große Rolle für die Spielpraxis darstellen.
Frank Kimpinsky
SV Empor Berlin, Abt. Schach
Jugendwart